Frau Pfau

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Mein Leben lang schon habe ich sehr starke Emotionen. Darüberstehen ging für mich nicht, also habe ich gelernt, mich von meinen Gefühlen zu trennen. Sie nicht mehr wahrzunehmen, indem ich mich mit dem Aussen beschäftigte. Mich ablenkte mit allem, was gerade kam, hauptsache nicht in diese inneren Strudel tauchen.

Natürlich hat das keineswegs funktioniert. Je mehr von mir ich an einer Stelle unterdrückte, desto mehr kam an anderer Stelle eher explosiv hoch.

Dann entdeckte ich die moderne Form einer tibetischen Praxis namens Chöd („Tschöd“). Die Vorstellung, mich meinen Dämonen gegenüberzusetzen, und ihnen ins Gesicht zu schauen, schauderte mich, aber sie übte auch eine unglaubliche Faszination auf mich aus.

An dem Tag, an dem ich zum ersten Mal ein Kissen für mich und eines für meinen Schatten auf den Boden legte, über meine Zweifel sprang und mich der Auseinandersetzung verschrieb, begann Frau Pfau in mir zu erwachen.

Der Pfau hat die Fähigkeit, Gift zu schlucken und es in die leuchtenden Farben des Pfauenrads zu verwandeln.

Im tibetischen Buddhismus wird dieses Bild oft benutzt, um den spirituellen Prozess der Umwandlung von Gefühlsenergie in   Weisheitsenergie zu beschreiben.

Mein Verstand dachte all die Jahre, dass Fühlen nicht endet. Dass ein Gefühl, dem ich mich hingebe, bleibt. In der Psychiatrie heisst das Traumasog, und ist durchaus sehr real. 

Haben wir jedoch die inneren Ressourcen entwickelt, um dem Traumasog zu begegnen, ohne uns einsaugen zu lassen, ist fühlen nicht fixiert. Es verändert sich.

Je mehr ich mir erlaubte, zu fühlen, desto mehr Einsicht in mich selbst und meine Wahrheit erhielt ich..

und so wurde ich zum Pfau, und gleichzeitig zur Frau.

Durch das Fühlen, welches sich oft wie Giftschlucken anfühlt, erschaffe ich kreative Welten, die den Menschen Farbe schenken.

Als Frau, was nichts anderes als Herrin bedeutet, erarbeite ich mir und anderen Ressourcen zum Umgang mit dem Leben.

„Frau (aka Herrin) oder Herr über etwas sein hat nichts mit Kontrolle, beispielsweise der Gefühle oder der Bevölkerung, zu tun, sondern mit der Auseinandersetzung mit ebendiesen auf der inneren Ebene.“ –

wenn ich tibetischen Buddhismus in einem Satz zusammenfassen wollte, wäre es dieser.

Es gilt also, sich dem, was man auf keinen Fall möchte, komplett hinzugeben. Mit ihm zu sein, es anzunehmen, wie es ist. Denn was ich umarme, lässt mich los.

Mein Verstand kämpft auch heute noch ab und zu gerne mit dem Zulassen meiner Gefühle, denn ein so tief einprogrammiertes Verhalten ändert sich nicht von heute auf morgen. Das sollte es auch nicht, denn eine derart schnelle Veränderung kann unser Nervensystem gar nicht verarbeiten. Es hat also alles seine absolute Richtigkeit, jeder Abschnitt des Weges ist wichtig und lehrreich und nährend, auch wenn wir dies oft erst im Nachhinein verstehen.

Wie mein Verstand, der da sagt „Nein nein nein, wir haben jetzt sicher keine Zeit, um DAS zu fühlen!“, während mein weiser physischer Körper bereits heulend und schluchzend am Boden liegt, um weiteres Gift in eine magische Farbenpracht zu verwandeln.